Samstag, 25. August 2007

Als einmal einer auszog, um heimzukehren

Es zog einmal einer aus - aus dem holdesten Paradies welches ihm auf seiner ganzen langen Reise in den fernen Osten je zuteil wurde: Der Strand von Vama Veche am Schwarzen Meer. 5 Tage lang durfte er dort weilen, ehe weltliche Zwänge ihn heimriefen. Es hieß Abschied nehmen von köstlicher Fischsuppe und Fisch, von netten gratisfrühstückservierenden Zelthotelbetreibern, von Hippies, Aussteigern, Intellektuellen, Nirvanaleiberlrockern, Abenteurern, Säufern, Musikern, von verschiedenster Musik, auch Livekonzerten, von Meeressonnenaufgängen, ins Meer hupfen und im Meer Seelöwe oder Schildkröte, Fisch, Aalfisch, Walfisch, oder einfach nur Treibgut sein.

Ja und vor allem Abschied nehmen von seinem tapferen und treuen Kameraden, Chrisu der Drache. Er und ersterer er nahmen auf ihrem Trip den Namen „Dragon Boyz“ an...denn von dort an gehörten sie DAZU... Zu ihrer eigenen Gang. Auch wenn sie nicht groß war. Dafür umso wendiger und schneller. Aber Schluss mit der Nostalgie, die Dragon Boyz trennten sich, weil einer heim musste. Und er hatte eine Mission, die nach Abenteuer roch. Viele Instruktionen hatte er bekommen für sein Vorhaben, und doch blieben noch viele Punkte offen, vieles die Heimreise betreffende blieb unklar, was den Geruch wesentlich verstärkte. Welch erquickende Würze, welch frischer Wind! Genuss und Antriebsmotor!
Diese Kräfte trieben ihn rasch per Bus bis Bukarest. Bis auf einen Streit mit Busleuten, die 7 Euro fürs Radl verrechneten, um sie in ihre eigene Tasche zu stecken, war da noch eher Flaute.

Der Bahnhof von Bukarest. Groß. Der Zug für Wien. Lang. Viele Schaffner. So viele, dass nie einer allein stand. Erstes Problem: (Wie) Soll man einen Schaffner schmieren, wenn ein anderer dabei ist? Also fragte Dragon Boy erst mal, wies mit dem Radl ausschaut...und einhellig kam zurück, dass da gar nix geht. No Entrance mit dem Ding. Ja, es war halt Rumänien, nicht Österreich. 3 Minuten vor der Abfahrt und noch immer nicht im Zug, gerade als es dem Abenteurer zu würzig und frisch wurde, war da „der Typ“. Der Typ zwinkerte in Richtung eines Schaffners, flüsterte was von 20 Dollar...aber das überhörte Dragon Boy leider, gestresst und grün hinter den Ohren wie er noch war in dem Metier. Er ging auf Nummer sicher und bot gleich 200 Lei an => 70 Euro. Da fehlte nicht mehr viel zum Ticketpreis...fast zum Ticketpreis ohne Ticket unterwegs.

Aber er war drin...allerdings drei Waggone weiter. Der Schaffner hatte gewollt, dass das Radl dort, im Österreicherwaggon, reinkam. Und Dragon Boy war gestresst und geschwächt weil soooo wenig Zeit zum Denken und tat alles was ihm gesagt. Der Zug fuhr los, und der Arme fand sich plötzlich weit weg vom Herrschaftsbereich seines Mentors, der Weg dorthin erschwert durch einen verrückten Schaffner, der ihn nicht durchlassen wollte und anfangs sogar die Durchgangstür vor seiner Nase zusperrte. Es gab auch keinen Platz für Radl und Zeug, und eine Schaffnerin, die sich über dessen „groteske“ Lagerung aufregte... Spicy spicy!
Aber der Junge kämpfte sich durch zu seinem Herrn, gerade rechtzeitig, da gerade der Kontrollor daherkam. Es war eine interessante Situation...Kontrollor vs. Schirmherr. Der Schirmherr gewann, der Kontrollor ließ ab vom Ticketlosen.
Da spendierte Dragon Boy gern ein Bier aus seinem Rucksack für „den Typen“, und Wasser für einen Freund vom Typen.
Er scoutete einen guten Radl-Platz im sicheren Bereich aus und kehrte mit „No problem, no problem“-Schulterklopfern seines Patrons gestärkt zum Gepäck zurück, um der Schaffnerin zu versprechen, das Zeug beim nächsten Bahnhof woandershin zu schaffen. Nur noch eine kleine Prüfung bis dorthin: Der Kontrollor war nämlich wieder da, und er gab jenes Wort von sich, das Dragon Boy in dem Moment noch viel schlimmer fand als jegliches „Human Resources“ oder „Kollateralschaden“: „Ticket.“ Aber er schaffte es, den Uneinsichtigen mit Gewäsch über Radl und Gepäck und Bahnhof zu zerstreuen. Und weg war er, und der Bahnhof war da. Ja passt, Klinke drücken – Tür zugesperrt. Die andere Seite war offen...das Radl über die Steine nach vorne bringen? Nö, zuwenig Zeit. Aus der Traum von Sicherheit, weiter schwamm der Arme in einer mittlerweile viel zu würzigen Nudlsuppn dahin.
Da ging er nochmal zum Patron, aber der verstand das Problem nicht so recht, weil er ja die Sprache nicht verstand. Er verstand nicht, dass der Kontrollor ums Ticket gefragt hatte. Ohne diesen verdammten Drahtesel wäre alles so einfach gewesen...aber Dragon Boy hatte Angst um das Zeug und musste dorthin zurück. Er ließ die Tür aufsperren und wartete auf den nächsten Bahnhof. Der Schrecken in Person kam aber vor dem Bahnhof... diese Ausgeburt aus...Korrektheit? Oder Gemeinheit? Diesmal bestand er auf dem Ticket. Jetzt musste Dragon Boy in die Offensive gehen. Er besorgte sich eine Übersetzerin und wurde sehr offen und direkt zu dem Mann. „Sie wissen ganz genau, dass ich den Andern geschmiert hab...sie haben mich nicht umsonst ziehen lassen, als er dabei war und ihnen unmissverständliche Zeichen gegeben hat! Ich bin 200 Lei losgeworden!“ Seine lakonische Antwort: „Ich hab von dem Geld nichts gesehen.“ Und: „Ticket oder raus.“
„Warum haben Sie mich dann zuerst ziehen lassen?“ Und er kam mit einem Gewäsch von Schlafwagenticket und jetzt weiß er, dass es gar kein Ticket gibt oder so. Noch nie war Dragon Boy in einer derartigen Situation gewesen...und so wurde er schwach, zu schwach zum klaren, richtigen Denken...der richtige Konter wäre gewesen: „Ok, gehen wir zum Schlafwagen [dessen Schaffner sein Mentor war], und checken wir das mit dem Schlafwagenticket.“ Aber er beugte sich dem Diktat dieses Teufels und ließ sich auf die Schlachtbank verdammen, beim Radl, auf das Fallbeil wartend. Ein Fluchtversuch noch, wieder vom Kontrollor vereitelt, und schon war da der Bahnhof, das Beil fiel, ziemlich kopflos stand der Arme plötzlich da mit wenig Geld, Verkühlung und ohne Zug oder Schlafmöglichkeit, inmitten von rumänischen Bergen. Die frische Luft mochte ihn nicht so recht zu begeistern.

Dragon Boy wollte sich gerade auf den Weg zu einem Bankomaten machen (nicht wissend, ob der noch was hergibt), als ihm ein Zimmer angeboten wurde für viel zu viel. Mit Händen und Füßen und Very Basic English erzählte er dem Herrn seine Leidensgeschichte und versuchte, den Preis radikal zu drücken. Ein paar jüngere Leute hatten das mitbekommen und fragten ihn, was los sei und so. Sie konnten richtig Englisch. Endlich konnte Dragon Boy wieder mit jemandem reden! Die Situation lieferte nun reichlich Stoff für Galgenhumor...dazu kam das auf der Reise zwischen den Dragon Boyz berühmt gewordene „on the edge“-Sein: Wenn sie nach laaaangen langen Kilometern in schönen aber gefährlichen Badlands durch die Nacht fuhren und einen Schlafplatz suchten...oder wieder mal kein Geld hatten, hungrig waren... kurz: am Zahnfleisch daherkrallten. Ja, das tat der eine Dragon Boy gerade, und wie immer in diesem Zustand brauchte es nur mehr einen speziellen Kick, der seinen Körper eine Droge ausschütten ließ, die wohl schon unseren Vorfahren in grauer Vorzeit zur Hilfe kam, wenn nach langer erfolgloser Jagd doch noch ein Beutetier auftauchte (oder sie zur Beute zu werden im Begriff waren).... so eine Adrenalin-Amphetamin-Mischung jedenfalls, sodass das Ganze sehr lustig und rauschig wurde. Das Ganze und der ganze Abend... denn die netten Leut luden ihn zu sich nach Hause ein. Das lag zwar einenhalb Zugstunden in Richtung Bukarest, aber er nahm gern an, und als er 2 Stunden später auch noch 300 aussidruckte Lei in Händen hielt, hatte die ganze Geschichte im Nachhinein doch noch die richtige Würze erhalten. Leider konnten ein sehr schöner Abend, ein gutes Bett, ein tolles Mamafrühstück und noch ein gutes (nachmittags)Bett ihn nicht von seiner Kränkelei heilen, es wurde sogar noch schlimmer, aber es half nichts, rein in den Zug, diesmal mit Ticket, ab jetzt nur mehr fürs Radl schmieren... das ging gut. Ein eigenes 6er Abteil für ganz Rumänien...warum nicht gleich so? Aber Dragon Boy wusste: Hinter der Grenze, da begann wieder die Ungewissheit. Der Platzmangel, die Sitzlosigkeit, das Improvisieren. Ob die 70 verbliebenen Lei reichen würden? Ein alter Mann sagte ihm, dass der ungarische Grenzschaffner mit 2,3 Lei für ein Bier schon zufrieden sein würde...er war sogar mit 0 zufrieden. Dafür kams nach Budapest&Schichtwechsel umso dicker. Ein junger, äußerst pflichtbewusster Kontrollor wollte dem ungarischen Tarif gemäß 100 Lei (30 Euro) für das Rad. Für 180 Zug-Kilometer! Und dessen schulisch-faschistoide Korrektheit ließ keine Tricks zu. Irgendwie hatte er das gleiche Gesicht wie der vortägige Korrektmensch, nur ein paar Jahre jünger. Er: „Take out bike.“ Dragon Boy, ihn mit dem Zeigefinger fast aufspießend: „YOU will NOT take my bike OUT!” So ging es öfters hin und her, mittels Übersetzer wurde diskutiert über Umrechnungskurse und Menschlichkeit. Der Kontrollor zog aber, statt kulant zu sein, noch einen Trumpf: Er drohte mit der Polizei. Es spielten sich schon verschiedene Kampfszenarien im Kopf seines Gegners ab, als eine Frau, die alles ein wenig mitverfolgt hatte, den Knoten mit 40 Lei löste. Sie bekam dafür Muscheln vom Schwarzen Meer, welche von nun an, da das Geld aus war, eine Art Naturalie, eine Währung für den Dragon Boy wurden. Eine Währung, die bei strengen österreichischen Schaffnern wohl nichts wert gewesen wäre...der sogesehen Mittellose fragte sich kurz, wie das in Österreich wohl laufen würde, wollte es aber eigentlich gar nicht wissen und ging kurz nach der Grenze einfach schlafen. Die Schaffner kamen und meinten lediglich: „Ah geh, lossman schlofn, des passt scho!“ Aufwachen in Wien...die Heimat hatte ihn wieder. 4 rumänische Lei und 10 kroatische Kuna gaben noch 2 Euro an der Wechselstube her. Ein nach billigem Kebap befragter Wiener gab noch einen Euro dazu...nun stand sogar einem guten Kebap nichts mehr im Wege. Und dann noch zum ÖBB-Fundbüro, um ein einmal vergessenes Zelt wiederzubekommen. „Vierazwanzg Euro, aber fia di moch i ochte.“ Nun hieß es ruhig bleiben und die Muscheln spielen lassen. Da hockte ein Mann hinter ihm an seinem Kinderwagen&Kind. Der Dragon Boy hockte sich dazu und erklärte ihm seine Situation, Muscheln für das Kind anbietend. Noch eine Hürde gemeistert. War da noch EINE – Frage. Wie groß ist die Chance, mit Rad und Gepäck und net mehr ganz frischem Aussehen von Wien nach Graz mitgenommen zu werden? Nach 4 Stunden vierspuriger Ignoranz von seiten der Kraftstoffbetriebenen erlosch das Drachenfeuer...schon ziemlich auf Sparflamme schleppte sich der Drache noch in einen Park und auf seine Isomatte. Krank, allein, mittellos, ungewaschen, zum Essen noch ein Apfel, altes Weißbrot und Honig da, wollte er nur mehr schlafen. Aber selbst das wurde mitten in der Nacht empfindlich gestört: Es begann zu regnen...aber das erfüllte Dragon Boy im Nachhinein betrachtet noch bis an sein Lebensende oftmals mit einem Schmunzeln. Denn nun kam das Zelt zum Einsatz, das nur deshalb da war, weil er es Wochen zuvor mal im Zug vergessen hatte.

War es im Geiste der Dragon Boyz, dass einer davon im Zustand schwindender Kräfte schließlich seinen Vater anrief, um ihn in Wien abzuholen? War es dragon-like, sich erst mal nach Hause, Elternhause, bringen zu lassen und zwei Tage an Mamas Rockzipfel zu hängen? Quälende Fragen für einen wie IHN. Trotzdem machte er noch viele Kinder und lebte glücklich bis an sein Lebensende.

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

wow! wülde gschicht! so viel schaffnerkämpfe auf einmal! ich finds auf jeden fall gar nicht schlimm die letzten 200 km mit elternhilfe zrückzulegen. sind dann überhaupt noch muscheln übergeblieben?
übrigens: am samstag, 8. september, klassentreffen beim martin decker zuhause! (http://5cdh.blogspot.com/)
hari

Anonym hat gesagt…

...und er wurde gesehen, wie er da einsam und alleine an der Triester Straße stand- mit seinem Graz Schild in der Hand.Auf ein Wunder hoffend!

Doch das grüne Auto hielt nicht an-denn die Eignerin wußte, viel zu gefährlich wäre es gewesen, diesen Jungen mitzunehmen... im Gedanken wünschte sie ihm Glück und zog weiter.

Michael Archan hat gesagt…

Hallo anonym2, wer bistn du? Welch kaltherzig Maid hat mich an jenem schwarzen Mittwoch im Stich gelassen? Aber gut, so wärs halt wahrscheinlich zu einfach, das Gschichtl nicht komplett gewesen. Du mich wirklich gesehen hast??

Anonym hat gesagt…

Ja Du wurdest wirklich gesehen!

Aber schau, mein Kühlschrank war leer, mein Zimmer voll...ich hätte einfach nichts zu bieten gehabt!

Sei nicht bös!

Anonym hat gesagt…

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